Wohnen in Barcelona: die Vor- und Nachteile der Katalanenstadt

herz

Der Artikel wurde am 24.03.2018 aktualisiert.

 

Um eins vorneweg zu verraten: die Positivliste wird um einiges länger werden als das Gemeckere. Ich habe mich komplett in diese Stadt verliebt und finde sie als Einwohner sogar noch weit besser als ich mir bei meinen Besuchen als Tourist jemals ausgemalt hätte.

 

So, aber nun zu den Details - was macht Barcelona als Stadt aus? Was ist reizvoll und was ist anders im Vergleich zu Deutschland.

+ Diese Stadt ist beeindruckend schön

Türme
Casa de les Punxes - auf dem Weg zum Büro

Öfter hatte ich schon den Vergleich mit einem Freilichtmuseum gehört. Und ob! Ich erwische mich immer wieder wie ich komplett beeindruckt vor Fassaden im Stadtteil Eixample stehenbleibe.

 

Nicht nur sind (fast) alle Bauten wunderbar erhalten und gepflegt, besonders die Häuserfronten sind mit so viel Liebe zum Detail bearbeitet worden, dass man sich automatisch selber fragt, warum man heutzutage nicht mehr solche schönen Häuser baut. Die neueren Gebäude können zwar nicht ganz mithalten, es gibt aber dennoch genügend Beispiele für tolle, neue katalanische Architektur.

 

Gerade wenn man hier in irgendeiner Weise kreativ arbeitet, führt (bei mir zumindest) jeder kleine Spaziergang bereits zu neuer Inspiration.

 

Gute Viertel zum Leben in Barcelona sind meiner Meinung nach: Born (Singles), Eixample (Paare) und Gracia (Hipster). Für Familien finde ich auch Badalona ziemlich gut, dort wohne ich nämlich inzwischen. Da hat man es nicht weit zum Strand. 

+ Nicht zu heiß und nicht zu kalt (meistens zumindest)

barcelona wetter

Auch wenn es gestern tatsächlich ein bisschen Schnee gab, kann ich mir kein besseres Klima vorstellen, als an der katalanischen Küste. Tropisches Klima wie in Singapur würde mich z.B. auf Dauer nerven, permanent 30 Grad zu haben klingt besser als es tatsächlich ist.

 

In Barcelona gibt es neben einem wunderbar langen und trockenen (im Sinne von ausbleibenden Regen) Sommer mit Januar und Februar auch wirklich kühle Monate. Es ist eben genau lange genug kalt, dass man sich wieder richtig auf den Sommer freuen kann. Und das Beste aus meiner Sicht: man kann dem Wetter trauen und man hat nicht ständig nasse Füße.

 

Ach ja, Wespen hab ich hier auch noch keine gesehen. Die scheinen in Deutschland ja ein Beiprodukt von Sonnenstrahlen zu sein.

+ Die Leute

Auch wenn sich immer wieder Leute über die Katalanen beschweren, konnte ich ihnen noch nichts Negatives abgewinnen. Katalanen werden gerne mit Bayern verglichen oder auch mit Deutschen. Und das passt schon irgendwie: wie die Bayern fordern die Katalanen einen Extrawurst im spanischen Staatenverbund.

Allerdings sind hier die geschichtlichen Voraussetzungen schon etwas anders und auf einer gewissen Ebene kann ich die Unabhängigkeitsbestrebungen sogar nachvollziehen, da sie jahrelang einfach extrem unterdrückt wurden. Ob man deswegen gleich ein eigenes Land daraus machen muss, sei dahingestellt. Vermutlich sind diese Bestrebungen gerade eine gutes Ablenkungsmittel für alles was sonst nicht so gut läuft.

 

Die Katalanen ticken durchaus anders: zu Beginn hatte ich bei Treffen immer 20 Minuten Verspätung eingeplant, da Spanier das ja so machen. Und regelmäßig war ich der letzte, der kam. Sogar Handwerker kamen genau zu der Zeit, die sie genannt hatten.

 

Und auch wenn ich hier noch keine tiefen Freundschaften mit den Locals geschlossen habe, finde ich den Umgang miteinander sehr freundlich. Man lacht viel, hilft sich gegenseitig und hat kein Problem damit, wenn ein Ausländer nicht so gut Spanisch spricht und die Katalankenntnisse sich auf "Bon dia" beschränken.

+ Preisniveau

So negativ die Euro-Krise ist, einen kleinen positiven Effekt hat sie dennoch: die Mietpreise sind in den letzten Jahren tendentiell eher gesunken. Insgesamt bewegt man sich in etwa auf dem Niveau von Berlin. Neben frischen Lebensmitteln wie Fisch ist auch die U-Bahn ist unheimlich günstig, eine 10er Karte kostet gerade mal 9,80€. Je nachdem in welche Kneipe man außerhalb der Touristen-Hotspots geht, bekommt man ein 0,3 Liter Bier für Preise zwischen 1,50-3,00€. Cocktails schmecken gut und kosten um die 5€.

 

Beim Vergleich des Gehaltsniveaus würde man allerdings schon einen deutlichen Unterschied zu ungunsten Spaniens sehen. Müsste ich mir hier einen Job vor Ort suchen, wäre ich sicher nicht hier. Zu niedrig das Gehaltsniveau und zu wenige interessante Jobs. Ich arbeite aber mit daran, diese Situation mit einigen neu geschaffenen Stellen ein bisschen zum positiven zu verändern.

+ Erstklassige Infrastruktur

In den spanischen Medien ist momentan ja jedes zweite Wort "Crisis" und in der Tat ist die Lage wirtschaftlich wie auch politisch ziemlich ernst. Besonders die Arbeitslosigkeit bewegt sich mit fast 24% selbst in Katalonien in schwindelerregenden Höhen und ist auch nicht niedriger als im Rest von Spanien.

 

Wenn ich mir allerdings die Infrastruktur in Barcelona ansehe, sehe ich keine Krise: überall gibt es Fahrradwege und Leihfahrräder, Elektro-Mietroller, eine super U-Bahnnetz und Gebäude, die top in Schuss sind. Vergleicht dagegen mal die mit Metallplatten zusammengeflickten Straßen und stinkigen U-Bahnschächte des ökonomischen Powerhouses' New York City.

+ Kultur und Freizeit

Barcelona lässt eigentlich nichts vermissen: halb Europa beneidet Barcelona um das Nachtleben, Restaurants gibt es noch und nöcher. Wenn mein ein paar einfache Fehler vermeidet, kann man hier wirklich außerordentlich gute gastronomische Erlebnisse haben und das zu durchaus fairen Preisen. 

 

Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe an Sehenswürdigkeiten und Museen, viele davon absolute Must-Sees. So zum Beispiel die weltberühmte Sagrada Familia, das Casa Batlló oder auch das Hospital de Sant Pau (siehe Bild oben), dessen Nachbar ich ganz lange Zeit sein durfte. 

 

- Was nicht ganz so toll ist

Wie ihr schon seht, bewegt man sich hier auf ganz gutem Niveau. Dennoch gibt es ein paar Dinge, die ich mir anders wünschen würde.

 

Ganz oben steht das Thema Kleinkriminalität. Wer z.B. eine Dachterasse sein eigen nennt, sollte aufpassen, dass er keinen unangemeldeten Besuch bekommt. Wie ich vor kurzem erfuhr wurde in die Wohnung, die wir zwischengemietet hatten, eingebrochen (als wir schon nicht mehr dort wohnten).

Zu oft habe ich inzwischen schon mitbekommen, dass in Wohnungen eingebrochen wird oder Leute um Ihre Handtaschen, Portemonnaies, Kameras oder Smartphones erleichtert wurden. Berauscht von der schönen Atmosphäre fühlt man sich zu schnell sehr sicher und passt nicht mehr auf seine Dinge auf. Gerade in den Touri-Hotspots ist das aber ein ganz großer Fehler.

 

Und ist erst mal die Handtasche weg, fällt es schwer den Urlaub in guter Erinnerung zu behalten. Mir ist recht schleierhaft, warum die Polizei nicht mehr dagegen macht. Mein Tipp ist übrigens die kostenlose Software Preyproject.com. Damit kann man seinen Laptop oder das Handy orten, sobald der Dieb damit ins Internet geht (oder offenes Wlan in der Nähe ist). Man kann den Dieb sogar über die Webcam ablichten, eine echt tolle Sache. Beim iPhone ist eine solche Funktion übrigens standardmäßig integriert. 

Kalt

Ansonsten ist die schlechte Isolierung und fehlende Zentralheizung schon so eine Sache. Nicht selten ist es dann im Winter um einiges kälter als in Deutschland. Aber gut, es geht um 3-4 Monate im Jahr. Nur aus irgendeinem Grund dachte ich es wäre immer warm in Spanien.

 

Und dann wäre noch das komisch riechende und schmeckende Leitungswasser. Angeblich kann man es ohne bleibenden Gesundheitsschaden trinken, schmecken tut es allerdings nach einer Mischung aus Chlor, Salz und Pfütze. Zum Glück gibt es dafür inzwischen ein Gegenmittel in Form eines Wasserfilters. Wir nutzen dafür den von Tapp und sind damit super zufrieden.

 

Je nach Stadtteil kann der Verkehr lautstärke- und geruchstechnisch ziemlich nervig sein. Gerade im Stadtteil Eixample sollte man seine Wohnung nicht unbedingt zur Straße hin ausgerichtet haben (wenn man nicht gerade schallisolierte Fenster hat, was hier leider absolut unüblich ist). Selbst habe ich einige Zeit in der Carrer de Rosselló gelebt, eine der Hauptverkehrsadern in Barcelona. Vermissen tue ich das nicht. 

 

So, das war's schon. Ich hoffe, dass die Negativliste weiterhin so übersichtlich bleibt. Vielleicht hab ich dem einen oder anderen jetzt ja auch Lust auf Barcelona gemacht. Wenn ja, dann sagt mir Bescheid und schreibt gerne einen Kommentar!

Bilder von Celine



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